Zur Geschichte der beiden Pfarrgemeinden

 

Ausstellung in der Pfarrkirche St. Clemens

in Kaldenkirchen zum Jubiläumsjahr 2006

 

 

Vorbemerkung zu dieser Ausstellung

Unter anderem angesichts des nur begrenzt zur Verfügung stehenden Raumes können in dieser Präsentation von Schriftzeugnissen und Kultgegenständen der katholischen Pfarre St. Clemens und der reformierten Gemeinde Kaldenkirchens nur die wichtigsten Aspekte der Geschichte dieser Gemeinden angedeutet werden. Viele Archivalien zum Beispiel sind in auswärtigen Archiven und müssen unberücksichtigt bleiben. Dennoch darf davon ausgegangen werden, dass hier ein Eindruck von der ortsgeschichtlichen Bedeutung von Kirchen und Religion auch in Kaldenkirchen vermittelt wird.

Ein nahezu unerschütterlicher Glaube, strikte Jenseitsorientierung und eine den Alltag prägende Heilserwartung haben das Leben unserer Vorfahren bestimmt. Auch „öffentliches Leben“ war auf das engste verwoben mit Fragen und Dingen des Glaubens.

Dass zumindest quantitativ in den Ausstellungsstücken die Geschichte  der  evangelischen  Gemeinde  nicht  auf  einer

Ebene  steht  mit  der  der  katholischen  ist  ausschließlich überlieferungsbedingt: weder Archivalien noch Kultgerät sind dort in so großer Zahl erhalten wie in der katholischen Pfarre. Zu tun hat das natürlich auch damit, dass reformierte Liturgie ihrem Selbstverständnis nach vieles nicht benötigte, was in der katholischen Kirche zum alltäglichen oder zum Festgottesdienst gehörte.


Die katholische Pfarre

im geschichtlichen Überblick

 

Es gibt die begründete Annahme, dass es hier schon im 11. Jahrhundert eine Kirche gab. Urkundlich genannt wird die Pfarre (parrochia de Kaldenkirken) erstmals 1291. Etwa um diese Zeit wird im Gladbacher Totenbuch ein Hermann Priester von Kaldenkirchen genannt.

Seit 1343 kennen wir lückenlos (!) die Namen aller Pfarrer. Das Patronatsrecht, also das Recht den Pfarrer auszuwählen, stand abwechselnd den Herren des Rittersitzes Wylre bei Venlo (später der Stadt Venlo) und dem Herzog von Jülich zu.

Die Pfarre gehörte bis 1802 zum Bistum Lüttich, danach zum Bistum Aachen, nach dessen Auflösung zum Bistum Münster und seit der Neugründung des Bistums Aachen bis heute zu diesem. Innerhalb des Bistums Lüttich hatte Kaldenkirchen viele Jahrhunderte lang zum Dekanat Wassenberg gehört.

Das Clemenspatrozinium wird erstmals 1509 erwähnt, ist aber mit Sicherheit wesentlich älter.

Der heutige Kirchenbau stammt aus dem letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, der Turm hingegen ist ein respektables Zeugnis spätgotischer Kirchenbauweise aus dem späten 15. Jahrhundert. In dieser Zeit oder etwas später ist auch das sehr qualitätvolle, über dem Chor hängende Kreuz geschaffen worden.

Zwischen 1625 und 1802 bestand in Kaldenkirchen das Birgittenkloster Mariafrucht, dessen Prior jeweils zugleich Pastor von Kaldenkirchen war. Von den Klostergebäuden ist vieles erhalten, insbesondere das um 1845 umgestaltete ehemalige Mönchskloster, das heutige Pfarrhaus.

Das 19. Jahrhundert erlebte ein blühendes katholisches Leben in Kaldenkirchen, was sich trotz des Kulturkampfes zum Beispiel in vielen kirchlichen Vereinsgründungen und nicht zuletzt im Neubau der Kirche niederschlug. Auch im 20. Jahrhundert war die katholische Kirche eine Kraft, die Alltag und weltanschauliche Orientierung der meisten Bürger prägte. 


Zur Geschichte der evangelischen Gemeinde

 

Erste reformatorische Regungen sind in Kaldenkirchen 1533 belegt, als ein Hutmacher aus Venlo hier in offensichtlich nichtkatholischem Sinne predigte. 1560 wurden beim katholischen Kaplan Schriften reformatorischer Autoren gefunden. Zu einer Konfessionsbildung in calvinistischem (= reformiertem) Sinne kam es in den 1560er Jahren. 1572 wird von einer evangelisch-reformierten Gemeinde in Kaldenkirchen gesprochen, die zur jülichschen Provinzialsynode gehörte.

Während die Protestanten Kaldenkirchens unter der konfessionspolitisch unentschiedenen Regierung des letzten Kleve-Jülicher Herzogs Johann Wilhelm ein erträgliches Dasein führen konnten, hatten sie im ersten Drittel des 17. Jahrhunderts unter der gegenreformatorisch orientierten neuen Regierung des pfalz-neuburgischen Herzogs Wolfgang Wilhelm, unter dem Brüggener Amtmann und dem spanischen Militär in Kaldenkirchen sehr zu leiden. Wie andere erlebten sie diese Zeit als „Gemeinde unter dem Kreuz“.

Ihre gottesdienstlichen Zusammenkünfte hielten sie zunächst im Geheimen, später in einer Scheune am heutigen Standort der Kirche ab. Diese brannte 1670 nieder. 1672 erhielten die Evangelischen Kaldenkirchens aufgrund eines Staatsvertrages zwischen Brandenburg (für das Herzogtum Kleve) und Pfalz-Neuburg (für das Herzogtum Jülich) das Recht auf  freie Religionsausübung. Jetzt gingen sie daran, unter ihrem Prediger Johann Melchior hinter der Häuserfront der heutigen Kehrstraße eine Kirche zu bauen. Sie gehört zu den eindrucksvollsten Zeugnissen reformierten Kirchenbaues am Niederrhein im 17. Jahrhundert.

Die Gemeinde stand zwar immer unter dem negativen Vorzeichen eines Minderheitendaseins (z.B. im Jahre 1813: 1675 Katholiken, 270 Evangelische und 23 Juden), was aber zum Teil dadurch kompensiert wurde, dass viele der Gemeindemitglieder als reiche Kaufleute und Fabrikanten erheblichen gesellschaftlichen, kulturellen und auch kommunalpolitischen Einfluss ausübten.

Die grenzbedingt starke Beamtenschaft in Kaldenkirchen seit 1818 war zu einem großen Teil evangelisch.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr die lange calvinistisch geprägte Gemeinde durch die starke Zuwanderung evangelischer Christen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten eine quantitative und strukturelle Veränderung.

Über die längste Zeit ihrer Geschichte waren die evangelischen Gemeinden von Bracht und Kaldenkirchen in Personalunion des Pastors miteinander verbunden.

                                                                                             Prof. Dr. Leo Peters

 

 

Themen der Ausstellung

 

1.      Zur Baugeschichte von Kirche, Kloster und Pfarrhaus

2.      Aus der Geschichte des Birgittenklosters Mariafrucht

3.      Das ganze irdische Dasein war auf die Erlangung der ewigen

  Seligkeit ausgerichtet

4.      Beispiele für die enge Verbindung von kirchlichem und

  weltlichem Leben

5.      Aus dem evangelischen Gemeindeleben

6.      Zum Verhältnis der Konfessionen untereinander

7.      Heinrich Simon van Alpen und Peter Johann Heinrich Pül

  gers, zwei bemerkenswerte Persönlichkeiten in der Zeit

  des Umbruchs

8.      St. Clemens-Pfarre: Gemeindeleben im 19. u. 20.  Jahrhundert

9.      Katholisches Vereinswesen bis zur Nazizeit

10.   Kirchen unter der NS-Diktatur

11. Kirchliches Leben nach dem 2. Weltkrieg

12. Die Klosterbibliothek

13.   Kultgeräte und Paramente

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Die Ausstellung des Bürgervereins Kaldenkirchen e. V. ist geöffnet vom 18.6. bis 9.7.2006, täglich (außer montags) von 15.00 – 17.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.