- JUBILÄUMSJAHR  2006  IN KALDENKIRCHEN -

 

 

 

              

              

Dr. Ina Germes-Dohmen

Pujacken im Panneschopp -

Die Geschichte der westdeutschen Dachziegel- und Röhrenindustrie

 

 

 

 

 

( Fortsetzung der Auszüge des Vortrags vom 18.3.2006)

Bedeutung der Dachziegel- und Röhrenindustrie

In ihrer Bedeutung war die Dachziegel- und Röhrenindustrie für die Grenzgemeinden unterschiedlich. Da es in Kaldenkirchen keine Tonlager gab, führten die Unternehmen den zollfreien Ton aus den Niederlanden ein, es wurden also nur die Produktionsstätten für die Fertigfabrikate verlagert. Auch ihre Arbeiterschaft brachten die niederländischen Unternehmer – ich komme später darauf – bis in die 1920er Jahre aus den Niederlanden mit. Damit brachte die Dachziegel- und Röhrenindustrie dem städtischen Haushalt Kaldenkirchens hauptsächlich Vorteile bei den Steuereinnahmen.

Die Dachziegel- und Röhrenwerke waren im Gegensatz zu den bislang üblichen Handstrichziegeleien mechanische Ziegeleien, die mit Dampf-, Tonaufbereitungs- und Fertigungsmaschinen ausgestattet waren. Zahlreiche Öfen und zusätzliche Trockenräume  in mehrstöckigen Ofenhäusern sorgten mehr und mehr dafür, dass der hohe Ausstoß gepresster Dachziegel auch im Winter die notwendige Vortrocknung erfuhr und gebrannt werden konnte. Verkaufsfördernd erwies sich lange das Patent auf einen bestimmten Doppelmuldenfalzziegel, der als Spezialität dieser Gegend als silbergrau gedämpfter Ziegel angeboten wurde.

(…) In Spitzenjahren wurden vor dem Ersten Weltkrieg in den Dachziegeleien zwischen Kaldenkirchen und Elmpt insgesamt über 80 Millionen Dachziegel gebrannt, das war ein Sechstel der Produktion des gesamten deutschen Reiches. Jeder sechste Ziegel zwischen München und Flensburg, Aachen und Königsberg kam aus unserer Gegend! In den wenigen guten Geschäftsjahren zwischen 1918 und 1935 überschritt die Produktionszahl die 100 Millionen. Das Absatzgebiet für die Dachziegel der Westdeutschen Dachziegelindustrie war vor allem West-, Nord- und Mitteldeutschland. (…)

Die Verkehrsanbindung war für die niederrheinischen Werke von besonderer Bedeutung. (…)

Nicht nur bei den Unternehmern, auch in der Arbeiterschaft der Dachziegeleien war Kaldenkirchen fest in niederländischer Hand. Entgegen mancher privater Überlieferung, betrug der Anteil der Niederländer bis in die 1920er Jahre fast 100 Prozent, sie pendelten fast alle täglich aus Limburg - oft nur aus Tegelen - über die Grenze ein und gingen abends nach getaner Arbeit wieder nach Holland zurück. Für viele Grenzgänger war der Fußweg zum Heidenend nicht weiter, als er z. B. auch für Kaldenkirchener Arbeiter vom Bruch gewesen wäre. Es gab natürlich auch Niederländer, die später ihren Wohnsitz in Kaldenkirchen nahmen, mancher nahm auch die deutsche Staatsangehörigkeit an.

Ziegeleiarbeiter war kein Lehrberuf, Qualifikationen konnte ein Arbeiter allein durch langjährige Arbeit und Erfahrung erwerben. Zahlreiche Arbeitsplätze in den Ziegeleien stellten, um es vorsichtig auszudrücken, höhere Anforderungen an die körperliche Leistungsfähigkeit als an schon vorher erworbene Kenntnisse.  In der Region wurde das Wort vom „Pujacken en het Panneschopp“ zum stehenden Begriff für harte, körperliche Arbeit.  In Kaldenkirchen gab es als Alternative zur Arbeit in den Dachziegelfabriken die Tabakindustrie, eine Alternative, die angesichts der unterschiedlichen Arbeitsanforderungen gerne gewählt wurde. (…)

Die Arbeiten in der Tongrube und am Tonberg wurden weitgehend erst in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg mechanisiert, bis dahin musste der Ton von Hand gestochen werden, auf die Kipploren geladen und bei der Fabrik wieder entladen und zum Tonberg aufgeworfen werden. Nach Aussage des Zeitgenossen Jacques Laumans entsprach es dem Tagespensum zweier Männer dreißig Kippwagen zu einem Tonberg aufzuwerfen, das waren ca. 22 Kubikmeter Ton. Das war echte Knochenarbeit. (…)

Das Kaldenkirchener Werk  C. Laumans, zuletzt Ziegelwerke Nettetal genannt, stellte 1984 seinen Betrieb ein, das Werk wurde von chinesischen Facharbeitern abgebrochen, um in Xhian in China neu aufgebaut zu werden.

Die Kaldenkirchener Werke der Familie Teeuwen, das Werk Paul Teeuwen und die Röhrenfabrik Joseph Teeuwen & Söhne nahmen nach dem Krieg die Fliesen- und die Verblendsteinproduktion auf. 1965 wurde die Dachziegelproduktion eingestellt, 1969 das Kaldenkirchener Röhrenwerk geschlossen, in den Werken in Reuver und Tegelen wurde die Röhrenproduktion beibehalten. 1971 wurden die Werke der Familie Teeuwen wieder fusioniert, die neue Gesellschaft hieß nun Teewen (ohne u). Das Fliesenwerk in Kaldenkirchen wurde 1983 stillgelegt, das Verblendsteinwerk 1985 aufgegeben. Da hiermit das letzte Werk der Kaldenkirchener Keramindustrie schloss, ging mit ihm nicht nur eine genau hundertjährige Werksgeschichte, sondern auch die hundertjährige Geschichte der Kaldenkirchener Tonindustrie zu Ende. In den Niederlanden produzierte die Firma Teeuwen bis 2002 weiter, dann wurde sie mit der RBB zur neuen Firma Lafarge Dakproducten zusammengeführt.

und heute >>>

 

    

 

Zur Startseite von www.bv-kaldenkirchen.de