- JUBILÄUMSJAHR  2006  IN KALDENKIRCHEN -

Herr Willi Kall bei seinen ausführlichen und interessanten Erläuterungen bei den Führungen

 

 

 

 

 

Erik Martin

 

Die Geschichte der Sequoiafarm Kaldenkirchen

 

Die Sequoiafarm im Kaldenkirchener Grenzwald war ursprünglich ein drei Morgen großes Gelände mit Heide und Ginster, auf dem während der letzten Kriegsjahre ein kleines Fachwerkhaus errichtet wurde, um der Familie Martin Schutz vor Bombenangriffen zu geben. Nach dem Krieg wurde es die Urzelle für ein 2 ha großes Arboretum und gleichzeitig Liebhaberbaumschule mit dem Schwerpunkt Sequoien, die das Zahnarztehepaar Ernst J. Martin und Illa Martin mit großer Liebe und unendlicher Mühe aufbauten. Nach einem großen Brand 1947, der fast den gesamten Wald vernichtete, den Sandboden weithin entblößte und sogar Sandstürme zur Folge hatte, setzte sich Ernst J. Martin tatkräftig und mit großem Erfolg für die Wiederaufforstung ein. Statt der bisherigen reinen Kiefernmonokultur wurde der Grenzwald durch Roteichenbestände aufgelockert und Windschutzalleen aus Birke, Ahorn, Mährischer Eberesche, Robinien, Linden und Edelkastanien angelegt.

 

Auf der Suche nach anderen Nadelbäumen tauchte der Gedanke an den Bergmammutbaum (Sequoiadendron giganteum) auf, standen doch in Kaldenkirchen zwei riesige Exemplare aus der Gründerzeit. 1950 und 1951 wurden erste größere Mengen Sequoiadendron ausgesät. Das Projekt wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt. Ein kleines Wäldchen von 23 relativ eng stehenden Bergmammutbäumen wurde 1952 innerhalb der Farm als Testfläche angelegt. Es erhielt eine – wie oft im nordamerikanischen Ursprungsgebiet natürlich vorkommende – Unterpflanzung von Haselwurz (Asarum caudatum). Auf dieser Fläche sollte ermittelt werden, ob die Bäume sich im Bestandsinnern weniger abholzig entwickeln als Randbäume. Die Baumhöhe betrug 1983 im Schnitt 21 m und 2010 ca. 34 m.

 

Später wurden die weniger frostharten Küstenmammutbäume (Sequoia sempervirens) sowie der erst 1941 entdeckte Urweltmammutbaum (Metasequoia glyptostroboides) auf der Farm vermehrt, von letzteren später zeitweise bis zu 10.000 im Jahr. Die Martins sammelten Pflanzen aus aller Welt, darunter viele an der Grenze ihrer Winterhärte; so begann man beispielsweise auch die Anzucht von Südbuchen. Auf diese Weise wurde das Arboretum mit Kostbarkeiten (um 1967: ca. 600 Gehölzarten) bereichert. Großer Wert wurde auf die Bodenvegetation gelegt und auf Harmonie zwischen den natürlich vorhandenen und eingebrachten Pflanzen geachtet.

 

Ungefähr 35 000 Bergmammutbaum-Sämlinge haben in den Jahren von 1952 bis 1967 die Farm verlassen; viele wurden keine Prachtbäume, da es zunächst noch keinerlei Erfahrungen für die Pflanzung gab. Manche gingen ein, da ihr Wuchs durch stauende Nässe, Beschattung (Lichtmangel) und Druck benachbarter Bäume behindert wurde. In den ersten Jahren standen die Sämlinge zunächst zu lange in nicht ausreichend hohen Tontöpfen; man wusste nichts von der ungewöhnlich schnellen Wurzelbildung des Bergmammutbaums, die bis 50 cm in einem Jahr betragen konnte.

 

1952 wurden erstmals Küstenmammutbaum-Sämlinge aus dem amerikanischen Schenck-Grove gepflanzt und einer strengen Auslese unterworfen: mit dem Erfolg winterharter Exemplare für den Anbau im westlichen Bundesgebiet. 1953 wurde ein Küstenmammutbaum-Hain angelegt; er gehört heute neben einem Vorkommen im Staatsforst Burgholz zu den wenigen größeren Küstenmammutbaum-Beständen nördlich der Alpen. Die Sequoia-Farm wurde ein beliebtes Besuchsobjekt für alle möglichen Gruppen, besonders für Forstleute und Botaniker.

 

Als im Jahre 1967 Ernst J. Martin plötzlich starb, war es für seine Frau unmöglich, die Sequoia-Farm allein weiterzuführen. Im April 1970 übernahm nach langen Bemühungen um den geeigneten Nachfolger das Land Nordrhein-Westfalen die Anlage für eine Biologische Station der Pädagogischen Hochschulen Rheinland. So blieb das reiche Anschauungsmaterial zu Studienzwecken erhalten. Entsprechend den Bedürfnissen der Biologischen Station wurden die ehemaligen Anzuchtbeete für pflanzensoziologische Zwecke genutzt. So entstanden ein Teich mit zugehöriger Flora, Moorbeete, verschiedene Heidegesellschaften, eine Mittelmeerzone, ein kleines Alpinum und auch ein Terrarium. Diese Teile existieren inzwischen nicht mehr. Später wurde die Station von der Hochschule Köln genutzt. 1987 kauften die Stadtwerke Nettetal das Gelände und die Essener Universität erhielt bis zum Jahr 2007 die Nutzungsrechte.

 

Da das umzäunte Gelände der früheren Farm zuletzt viele Jahre lang nicht gepflegt wurde, verwilderte das Arboretum; wertvolle Bäume wuchsen zu, Sträucher gingen ein und die Bodenflora wurde zum großen Teil vernichtet. Im Winter 2009/2010 wurden aufwendige Instandhaltungsmaßnahmen vorgenommen und der Eigentümer, die Stadtwerke Nettetal, ist seitdem bestrebt, das Gelände wieder annähernd in den alten Zustand zurückzuführen.

 

Versuchsanlage

Etwa 400 m nördlich der Farm befindet sich eine zur Farm gehörige ehemalige Versuchsanlage. 1952 erfolgte dort eine Auspflanzung von 1500 zweijährigen Bergmammutbaum-Sämlingen auf einer 1,5 ha großen ungeschützten Kahlfläche. Als Begleitpflanzen erhielt die Versuchsfläche unter anderem Weihrauchzedern, Kolorado-Tannen, Küsten-Tannen (Abies grandis), Douglasien sowie einige Kiefernarten. Der extreme Winter (minus 20 C) des Jahres 1956 und die anschließende große Trockenheit mit Spätfrösten bis im Juni bewirkten zahlreiche Ausfälle unter den Begleitbäumen. 1983 betrug die Durchschnittshöhe der Bergmammutbäume hier 13 bis 14 m (2010: ca. 31 m), die gleich alten Exemplare auf der geschützten Sequoiafarm erreichten dagegen größere Höhen. Heute befinden sich noch 168 Bergmammutbäume auf diesem (Anfang 2011 durchforsteten) Gelände, unter denen sich ein Teppich aus Sauerklee gebildet hat. Auf dem ursprünglichen Flugsandboden hat sich inzwischen eine 10 bis 15 cm hohe Humusschicht gebildet.

Aus diesem ältesten und zugleich einheitlichsten Sequoiadendron-Bestand suchte sich die LÖLF (Landesanstalt für Ökologie, Landschaftsentwicklung und Forstplanung) 1982 eine Testfläche für die Erstellung von Ertragstafeln aus. Heute ist diese Versuchsanlage, auf die keine Schilder hinweisen, nicht mehr eingezäunt; sie befindet sich im Privatbesitz, ist aber zugänglich. 2010 befanden sich im Gelände 221 Bergmammutbäume. Viele Bäume in dieser Anlage sind inzwischen von dem Pilz Botryosphaeria befallen; bei einer notwendigen Durchforstung Anfang 2011 wurden 53 Exemplare der Bergmammutbäume gefällt.

© Erik Martin

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  

 

 

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