Erik Martin
Die Geschichte der Sequoiafarm Kaldenkirchen
Die Sequoiafarm im Kaldenkirchener Grenzwald war ursprünglich
ein drei Morgen großes Gelände mit Heide und Ginster, auf dem während der
letzten Kriegsjahre ein kleines Fachwerkhaus errichtet wurde, um der Familie
Martin Schutz vor Bombenangriffen zu geben. Nach dem Krieg wurde es die Urzelle
für ein 2 ha großes Arboretum und gleichzeitig Liebhaberbaumschule mit dem
Schwerpunkt Sequoien, die das Zahnarztehepaar Ernst J. Martin und Illa Martin
mit großer Liebe und unendlicher Mühe aufbauten. Nach einem großen Brand 1947,
der fast den gesamten Wald vernichtete, den Sandboden weithin entblößte und
sogar Sandstürme zur Folge hatte, setzte sich Ernst J. Martin tatkräftig und mit
großem Erfolg für die Wiederaufforstung ein. Statt der bisherigen reinen
Kiefernmonokultur wurde der Grenzwald durch Roteichenbestände aufgelockert und
Windschutzalleen aus Birke, Ahorn, Mährischer Eberesche, Robinien, Linden und
Edelkastanien angelegt.
Auf der Suche nach anderen Nadelbäumen tauchte der Gedanke an
den Bergmammutbaum (Sequoiadendron giganteum) auf, standen doch in
Kaldenkirchen zwei riesige Exemplare aus der Gründerzeit. 1950 und 1951 wurden
erste größere Mengen Sequoiadendron ausgesät. Das Projekt wurde von der
Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützt. Ein kleines Wäldchen von 23
relativ eng stehenden Bergmammutbäumen wurde 1952 innerhalb der Farm als
Testfläche angelegt. Es erhielt eine – wie oft im nordamerikanischen
Ursprungsgebiet natürlich vorkommende – Unterpflanzung von Haselwurz (Asarum
caudatum). Auf dieser Fläche sollte ermittelt werden, ob die Bäume sich im
Bestandsinnern weniger abholzig entwickeln als Randbäume. Die Baumhöhe betrug
1983 im Schnitt 21 m und 2010 ca. 34 m.
Später wurden die weniger frostharten Küstenmammutbäume (Sequoia
sempervirens) sowie der erst 1941 entdeckte Urweltmammutbaum (Metasequoia
glyptostroboides) auf der Farm vermehrt, von letzteren später zeitweise bis
zu 10.000 im Jahr. Die Martins sammelten Pflanzen aus aller Welt, darunter viele
an der Grenze ihrer Winterhärte; so begann man beispielsweise auch die Anzucht
von Südbuchen. Auf diese Weise wurde das Arboretum mit Kostbarkeiten (um 1967:
ca. 600 Gehölzarten) bereichert. Großer Wert wurde auf die Bodenvegetation
gelegt und auf Harmonie zwischen den natürlich vorhandenen und eingebrachten
Pflanzen geachtet.
Ungefähr 35 000 Bergmammutbaum-Sämlinge haben in den Jahren
von 1952 bis 1967 die Farm verlassen; viele wurden keine Prachtbäume, da es
zunächst noch keinerlei Erfahrungen für die Pflanzung gab. Manche gingen ein, da
ihr Wuchs durch stauende Nässe, Beschattung (Lichtmangel) und Druck benachbarter
Bäume behindert wurde. In den ersten Jahren standen die Sämlinge zunächst zu
lange in nicht ausreichend hohen Tontöpfen; man wusste nichts von der
ungewöhnlich schnellen Wurzelbildung des Bergmammutbaums, die bis 50 cm in einem
Jahr betragen konnte.
1952 wurden erstmals Küstenmammutbaum-Sämlinge aus dem
amerikanischen Schenck-Grove gepflanzt und einer strengen Auslese unterworfen:
mit dem Erfolg winterharter Exemplare für den Anbau im westlichen Bundesgebiet.
1953 wurde ein Küstenmammutbaum-Hain angelegt; er gehört heute neben einem
Vorkommen im Staatsforst Burgholz zu den wenigen größeren
Küstenmammutbaum-Beständen nördlich der Alpen. Die Sequoia-Farm wurde ein
beliebtes Besuchsobjekt für alle möglichen Gruppen, besonders für Forstleute und
Botaniker.
Als im Jahre 1967 Ernst J. Martin plötzlich starb, war es für
seine Frau unmöglich, die Sequoia-Farm allein weiterzuführen. Im April 1970
übernahm nach langen Bemühungen um den geeigneten Nachfolger das Land
Nordrhein-Westfalen die Anlage für eine Biologische Station der Pädagogischen
Hochschulen Rheinland. So blieb das reiche Anschauungsmaterial zu Studienzwecken
erhalten. Entsprechend den Bedürfnissen der Biologischen Station wurden die
ehemaligen Anzuchtbeete für pflanzensoziologische Zwecke genutzt. So entstanden
ein Teich mit zugehöriger Flora, Moorbeete, verschiedene Heidegesellschaften,
eine Mittelmeerzone, ein kleines Alpinum und auch ein Terrarium. Diese Teile
existieren inzwischen nicht mehr. Später wurde die Station von der Hochschule
Köln genutzt. 1987 kauften die Stadtwerke Nettetal das Gelände und die Essener
Universität erhielt bis zum Jahr 2007 die Nutzungsrechte.
Da das umzäunte Gelände der früheren Farm zuletzt viele Jahre
lang nicht gepflegt wurde, verwilderte das Arboretum; wertvolle Bäume wuchsen
zu, Sträucher gingen ein und die Bodenflora wurde zum großen Teil vernichtet. Im
Winter 2009/2010 wurden aufwendige Instandhaltungsmaßnahmen vorgenommen und der
Eigentümer, die Stadtwerke Nettetal, ist seitdem bestrebt, das Gelände wieder
annähernd in den alten Zustand zurückzuführen.
Versuchsanlage
Etwa 400 m nördlich der Farm befindet sich eine zur
Farm gehörige ehemalige Versuchsanlage. 1952 erfolgte dort eine Auspflanzung von
1500 zweijährigen Bergmammutbaum-Sämlingen auf einer 1,5 ha großen ungeschützten
Kahlfläche. Als Begleitpflanzen erhielt die Versuchsfläche unter anderem
Weihrauchzedern, Kolorado-Tannen, Küsten-Tannen (Abies grandis),
Douglasien sowie einige Kiefernarten. Der extreme Winter (minus 20 C) des Jahres
1956 und die anschließende große Trockenheit mit Spätfrösten bis im Juni
bewirkten zahlreiche Ausfälle unter den Begleitbäumen. 1983 betrug die
Durchschnittshöhe der Bergmammutbäume hier 13 bis 14 m (2010: ca. 31 m), die
gleich alten Exemplare auf der geschützten Sequoiafarm erreichten dagegen
größere Höhen. Heute befinden sich noch 168 Bergmammutbäume auf diesem (Anfang
2011 durchforsteten) Gelände, unter denen sich ein Teppich aus Sauerklee
gebildet hat. Auf dem ursprünglichen Flugsandboden hat sich inzwischen eine 10
bis 15 cm hohe Humusschicht gebildet.
Aus diesem ältesten und zugleich einheitlichsten
Sequoiadendron-Bestand suchte sich die LÖLF (Landesanstalt für Ökologie,
Landschaftsentwicklung und Forstplanung) 1982 eine Testfläche für die Erstellung
von Ertragstafeln aus. Heute ist diese Versuchsanlage, auf die keine Schilder
hinweisen, nicht mehr eingezäunt; sie befindet sich im Privatbesitz, ist aber
zugänglich. 2010 befanden sich im Gelände 221 Bergmammutbäume. Viele Bäume in
dieser Anlage sind inzwischen von dem Pilz Botryosphaeria befallen; bei einer
notwendigen Durchforstung Anfang 2011 wurden 53 Exemplare der Bergmammutbäume
gefällt.
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